Wie ein Produktionsfehler unsere Werte stärkte: Nachhaltigkeit und Fehlerkultur bei avonté
When Life Turns Upside Down – Wieso die kleinen lachenden Gesichter uns plötzlich ausgelacht haben
In der Modeindustrie wird ein Großteil der Arbeit von Menschen erledigt. Allein das ist ein Grund, darüber einen Artikel zu schreiben, denn viel zu oft verschwindet diese Tatsache im Hintergrund.
Nun ist es so, dass hin und wieder auch mal Fehler passieren. Das ist normal und das tun wir alle. Hin und wieder ist das aber auch mal ein Problem im ersten Moment. Denn dadurch werden wir gezwungen umzudenken und das erfordert in stressigen Situationen ziemlich viele Kapazitäten. Und so ist es uns passiert.
Wir wurden auf die Probe gestellt
Unsere Sommerkollektion war mitten in der Produktion bei unserem Lieferanten in Portugal, als es passierte. Wir wurden auf die Probe gestellt.
Was war passiert: Einer unserer geretteten Reststoffe hat ein raffiniertes Design aus lächelnden kleinen Gesichtern, in einen Jaquard eingewebt. Für uns das Highlight der Kollektion. Von diesem Reststoff gab es nur 103 Meter. Nicht sehr viel, aber wir wollten daraus unbedingt ein paar Pyjamas produzieren lassen, genau gesagt: 39 Stück.
Dann passierte es: Beim Zuschnitt wurden die Schnitteile falsch herum auf den Stoff gelegt und das Hemd falsch zugeschnitten. Die Smileys standen Kopf, upside down. Die Schnittteile der passenden kurzen Hose waren zuvor korrekt zugeschnitten worden. Also schauten die Gesichter bei Hemd und Shorts in unterschiedliche Richtungen.
Die Produktion war im vollen Gange, weswegen wir direkt entscheiden mussten: Was tun? Da wir ausschließlich mit Reststoffen arbeiten, sind diese immer begrenzt und wir hatten die komplette Restmenge gekauft. Es gab also keine Möglichkeit, neuen Stoff nachzukaufen und die Teile korrekt zuzuschneiden. Eine andere Option war, das Hemd nicht zu produzieren, die zugeschnittenen Teile wegzuwerfen und nur die Shorts produzieren zu lassen. Diese Option zogen wir kurz in Betracht, auch weil das eine gängige Konsequenz in der Modeindustrie bei einem solchen Fehler ist - übrigens ein weiterer Grund, weshalb Textilmüll entsteht.
Wir hielten inne und nahmen uns die Zeit, um eine Runde um den Block zu laufen (dann können wir beide meistens besser denken), und erinnerten uns daran, warum wir avonté gegründet haben: Wir wollen es anders machen.
Den zugeschnittenen Stoff in einwandfreier Qualität wegzuwerfen, nur weil die Gesichter auf dem Kopf stehen – das entspricht doch ganz und gar nicht unserem Verständnis von Nachhaltigkeit! Wir wollen vorhandene Ressourcen sinnvoll nutzen und zeigen, dass verantwortungsvolle Produktentwicklung möglich ist.
Gleichzeitig wollen wir Produkte von guter Qualität auf den Markt bringen. Ist das Hemd nun weniger gut? Nein. Es ist nicht perfekt, okay, ein Fehler im Detail, der vielen vermutlich nicht auffallen würde.
Wir haben uns dazu entschlossen, die Hemden produzieren zu lassen. Den Fehler offen zu kommunizieren (nicht nur hier, auch in unserem Onlineshop auf der Produktseite und mit unseren Einzelhandelspartnern) und das Hemd zu einem günstigeren Preis anzubieten.
Für uns war und ist das die Lösung, die sich richtig anfühlt. Gegenüber unserem Lieferanten (wir wollen eine Fehlerkultur fördern, in der wir offen darüber sprechen können), gegenüber unseren Kunden (Transparenz) und gegenüber der Umwelt (Ressourcen sinnvoll nutzen).
Und neulich meinte ein Freund von uns: “Ist doch voll schön, jetzt lächeln einen die Gesichter an, wenn man das Hemd trägt, statt nur das Gegenüber.” Finden wir auch.
À vontade – mach es dir bequem!
Pia & Marlene
Fotocredits: Nirén Mahajan